Krankenhaus-Einkauf als Hebel für Klimaschutz
Die klimaschonende Ausrichtung von Versorgungsprozessen rückt das Podium „Beschaffung mit Sinn: Wie Kliniken die Art und Weise, wie sie Geld ausgeben, jetzt ändern können, um den Planeten und seine Menschen zu schützen“ am 16. Mai 2023 ins Zentrum. Mit dem Fokus auf ein ganzheitliches Beschaffungsmanagement diskutiert die med.Logistica Wege zu einer nachhaltigeren Zukunft des Krankenhaus-Einkaufs.
„Nachhaltigkeit und Klimaschutz betreffen alle Bereiche der Beschaffung“, unterstreicht Jens Leveringhaus, Vorstandsvorsitzender der P.E.G. Einkaufs- und Betriebsgenossenschaft eG, München, und Moderator des Podiums. Aufgrund langer Entwicklungszyklen und aufwendiger Zulassungsverfahren seien nachhaltige Neuentwicklungen in manchen Segmenten eher langfristig zu betrachten, vor allem bei medizintechnischen Produkten. „Aber wenn es um den Einkauf von Dienstleistungen geht, lassen sich oftmals schnelle Erfolge erzielen“, so Leveringhaus. „Dies betrifft zum Beispiel die Auswahl des Müllentsorgers, welche Reinigungsmittel zum Einsatz kommen, ob Ein- oder Mehrwegprodukte verwendet werden oder welche Schwerpunkte bei der Einkaufsentscheidung für sogenannte Schnelldreher – wie Verbrauchsmaterialien – gesetzt werden.“ Insgesamt gehört der Einkauf laut Leveringhaus zu den wichtigen Hebeln für Klimaschutz im Krankenhaus: „70 Prozent der CO2-Emissionen entstehen dort.“
Mehrweg kein Allheilmittel, aber oft sinnvoll
Er sei großer Fan des Mehrwegprinzips, sagt Leveringhaus. „Doch das ist kein Allheilmittel, weil man sich ebenfalls mit den dahinterliegenden Prozessen auseinandersetzen muss. So können aufwendige Logistik-, Aufbereitungs- und Reinigungsprozeduren mit hohen Energieverbräuchen und langen Transportwegen die positiven Effekte neutralisieren.“ In einigen Bereichen könne deshalb Einweg durchaus die sinnvollere Alternative sein, vor allem, wenn umweltschonende, recyclingfähige Materialien genutzt würden: „Da gibt es keine einfache Antwort, die ganzheitliche Betrachtung ist wichtig. So ist die Wiederverwendung, beispielsweise bei Wäsche, absolut sinnvoll, ebenso bei zahlreichen chirurgischen Instrumenten wie Klammern, die sich gut aufbereiten lassen. Im Fokus stehen sollten Artikel, die in der Herstellung aufwendig und teuer sind sowie viel Energie verbrauchen.“
Vorreiter in Deutschland
Nachhaltigkeit und CO2-Reduktion müssten in den Krankenhäusern eine deutlich höhere Priorität eingeräumt bekommen, fordert Leveringhaus. „Auf der med.Logistica zeigen wir, dass dies ein Jahrhundertthema ist und der Klimawandel die größte Bedrohung für das Gesundheitswesen darstellt. Damit müssen sich alle auseinandersetzen.“ In diesem Zusammenhang mahnt er, nicht in die gleiche „Aufschieberitis“ zu verfallen wie bei der Digitalisierung: „Die Klinikverwaltungen müssen jetzt anfangen, sich mit dem Thema auseinanderzusetzen. Sonst werden sie überrollt und der Gesetzgeber schafft Regelungen, auf die die Einrichtungen nicht vorbereitet sind. Das Bundesgesundheitsministerium schaut sich zum Beispiel gerade an, ob Nachhaltigkeit künftig eine größere Rolle bei Vergabeprozessen spielen soll.“ Etwa 60 bis 70 Krankenhäuser seien in Deutschland bereits sehr aktiv bei der nachhaltigen Gestaltung ihrer Einkaufs- und Beschaffungsprozesse, wie Leveringhaus betont: „Vorreiter sind unter anderem Universitätskliniken wie Hamburg-Eppendorf (UKE), Essen oder die Charité in Berlin. Konzerne wie Helios und Asklepios setzen sich schon aufgrund ihrer Größe und den damit verbundenen Auskunftspflichten mit Nachhaltigkeitsthemen wie zum Beispiel der Berichterstattung auseinander. Aber auch kleinere Einrichtungen, vor allem private Häuser in familiärem Besitz, oder einzelne freigemeinnützige Krankenhäuser sind dabei. Das Gros aber hinkt hinterher, vor allem öffentliche Gesundheitseinrichtungen.“
Nachhaltigkeitsbericht ein Muss
Viele Geldgeber legen bereits heute Wert auf nachhaltige Investitionen. „Ohne ein entsprechendes Scoring bzw. entsprechende Nachweise werden Finanzierungen zukünftig schwierig. Dies betrifft aber nicht nur Kredite, sondern auch öffentliche Fördergelder, weshalb Nachhaltigkeitsberichte bald ein Muss für alle Gesundheitseinrichtungen sein werden“, erklärt Leveringhaus. Im Personalbereich spiele das Engagement eines Unternehmens für Klima- und Umweltschutz ebenfalls eine wachsende Rolle: „Fachkräfte haben daran zunehmend Interesse und sind motiviert, sich im Arbeitsumfeld dafür einzusetzen. In der Genossenschaft konnten wir feststellen, dass Zahl und Qualität der Bewerberinnen und Bewerber zugenommen hat, seit wir Nachhaltigkeit als unser Leitmotiv identifiziert haben.“ Leveringhaus hofft, dass die Podiumsdiskussion dazu beiträgt, dass Krankenhäuser sich bei Einkauf und Beschaffung intensiver mit dem Thema Nachhaltigkeit und der Reduktion von Emissionen befassen. „Auf der med.Logistica wollen wir unser Netzwerk erweitern und neue Ideen entwickeln. Ich freue mich auf viele neue Gesichter im Publikum – und hoffe sehr, dass das Thema Kreise zieht.“
Die Podiumsdiskussion „Beschaffung mit Sinn: Wie Kliniken die Art und Weise, wie sie Geld ausgeben, jetzt ändern können, um den Planeten und seine Menschen zu schützen“ findet am 16. Mai 2023 von 11.30 bis 13.00 Uhr statt.